Wenn man mal einen Roman liest, indem sich Zeitreisende befinden, dann wird ihnen im Allgemeinen ganz besonders deutlich gesagt, dass sie auf so einer Reise in die Vergangenheit auf gar keinen Fall etwas verändern dürften, auch nicht das kleinste Bisschen, da es große Auswirkungen auf die Zukunft, damit auch auf die Gegenwart der Reisenden, haben könnte.
Ich nehme das mal so an. Ich reise zwar nicht in die Vergangenheit und kann da kaum etwas ändern, aber ich reise ja, auch mit Dir, in die Zukunft. Und ich habe mir vorgenommen, heute kleine Dinge zu verändern, damit es große Auswirkungen auf unsere Zukunft hat. Machst Du mit?
Wir gehen jetzt gerade auf Weihnachten zu und sind vielleicht etwas eher bereit, an solch gute Möglichkeiten zu glauben. Obwohl es neblig und kühl ist, dazu sehr früh dunkel, ist die Adventszeit dennoch eine ganz wunderbare, weil/wenn wir (so hoffe ich es doch von Dir) in der Lage sind, Licht und heimelige Wärme in unsere Umgebung zu bringen. So können wir etwas später auch festlich gestimmt die Geburt von Jesus Christus begehen. Dieser ist, laut Lukasevangelium, in einem Stall geboren und, laut Matthäusevangelium, sofort in die Flucht gejagt worden und damit anscheinend gar nicht nur eine Gestalt zum Anbeten für strahlende Festtage. Sondern man kann ihm gewissermaßen eine Kompetenz für schwere Phasen zusprechen und er würde uns sicher auch durch den Alltag und die Tiefen begleiten, wenn wir es glauben und zulassen wollen.
Also probiere doch einmal jetzt in der Adventszeit, wie das gehen könnte, Gott, Jesus, den Heiligen Geist (wie auch immer Du das für Dich annehmen kannst) in Deinen Alltag einzulassen. Ja, genau, um kleine Dinge zu verändern.
Was das sein könnte? Komm doch einmal mit mir in diese Begebenheit:
Wir sind in Berlin. Es ist voll in der Stadt und es herrscht ein wahnwitziger Verkehr. Mit Staus und Gedrängel. Eine Busfahrerin lenkt den Bus, in dem wir sitzen und, wirklich Hochachtung, sie hat noch nicht einmal geflucht (sonst eine übliche Beschäftigung von Menschen hinterm Steuerrad in Berlin). Sie hat bisher nur ein-, zweimal tief durchgeatmet. Vor ihr fahren zwei weitere Busse. Es kann passieren, dass der vorderste Bus an einer Haltstelle halten muss und die beiden dahinter deshalb nicht mehr bei Grün über die Ampel kommen. Dann hält der nächste an ebendiesem Punkt und nun sind es womöglich schon zwei Ampelphasen, bevor die Busfahrerin endlich bei dem Stopp vorfährt und ihre Türen öffnen kann. Sie öffnet die Türen mehrfach, weil dann doch noch einmal ein eiliger Passagier an die Tür klopft und mitmöchte. Inzwischen hat sie heillose Verspätung. Aber teilweise kommt sie eben nur schrittchenweise voran, auch auf der Busspur gibt es zahllose Hindernisse, an manchen Stellen steht der Verkehr Stoßstange an Stoßstange. Sie weiß, dass es noch ein paar Stunden so weitergehen wird, bevor sie Feierabend hat.
Meine Freundin Ute sitzt ganz vorne in genau diesem Bus. Sie ist zum Kaffee verabredet, nach der Arbeit ist sie bei ihrem Lieblingsblumenladen vorbeigegangen, um einen wirklich schönen, kleinen Strauß mitbringen zu können. Die Blumen bräuchten bald mal Wasser, sie ist jetzt wahrscheinlich auch schon zu spät, aber noch nicht in fürchterlicher Eile und beobachtet das Geschehen.
Menschen steigen ein und aus, jeder, jede in ihrer eigenen Stimmung, teilweise hektisch, weil, naja, zu spät dran. Die Busfahrerin fährt möglichst sanft, schnell geht gar nichts, die Leute stehen schließlich, bedrängt, können sich kaum festhalten. Sie muss immer wieder bremsen, auch sanft. Sie öffnet die Türen, öffnet sie wieder. Fährt los, hält wieder an. Es dauert und es ist anstrengend.
Es ist eine Erleichterung für Ute, als sie endlich aussteigen kann. Sie greift ihre Sachen und schiebt sich durch nach ganz vorne. „Darf ich hier aussteigen?“ „Natürlich“. Der Bus hält und die Fahrerin öffnet die Türen.
Da sagt Ute zu ihr: „Meine Hochachtung! Wie sie fahren, auch durch jeden Engpass hindurch. – Und sie haben nicht einmal geflucht.“ Und als die Dame ihr zunickt, reicht sie ihr spontan den Blumenstrauß und sagt: „Der ist jetzt für Sie, das muss einfach sein!“
Wie vom Donner gerührt, schaut die Fahrerin sie an: „Das ist mir ja in meinem ganzen Leben noch nicht passiert“, sagt sie, „Danke schön!“. Sie ist eigentlich erschüttert. Aber sie muss ja noch weiterfahren und so steigt Ute die Stufen hinab und geht hinaus auf den Bürgersteig. Und während sie die ersten Schritte geht, hört sie plötzlich durch einen Lautsprecher (sie wusste gar nicht, dass man von innen im Bus nach draußen diese Möglichkeit hat) wie die Busfahrerin sich im Anfahren noch einmal, nun laut und in Öffentlichkeit, voller Freude bei ihr bedankt. Sie grüßen sich zu und der Bus entschwindet, während Ute geht.
Da geht sie jetzt und ist froh, dass sie das getan hat! Beide werden den Tag, nein, diese entzückende Tat an diesem Tag, nicht mehr vergessen. Beide freuen sich immer noch und erzählen davon und mich hat es inspiriert zu denken: „ich will mir vornehmen, heute kleine Dinge zu verändern“ (und die Freundin beim Kaffee danach hat ein anderes Mitbringsel von Ute erhalten).
Machst Du mit? Macht Ihr mit?
„Dieses Leben ist nicht ein Frommsein, sondern ein Frommwerden. Nicht eine Gesundheit, sondern ein Gesundwerden, nicht ein Sein, sondern ein Werden. Nicht eine Ruhe, sondern eine Übung. Wir sind´s noch nicht, wir werden´s aber. Es ist noch nicht getan oder geschehen; es ist aber im Gang und im Schwang. Es ist nicht das Ende; es ist aber der Weg. Es glüht und glänzt noch nicht alles, es reinigt sich aber alles.“
Martin Luther
Wir sind also unterwegs. Und ich wünsche Dir auf Deinem Weg viele, viele solcher lichtvollen Begebenheiten bzw. Möglichkeiten, Licht weiter zu schenken. Sei ganz, ganz herzlich von mir zum Advent gegrüßt.
Cornelia Cornels-Selke